Die Hosentaschen-Psychiatrie
Warum wir im Kaffeehaus auf Glaspickerl starren, statt einander in die Augen zu schauen – ein wütendes Protokoll aus dem digitalen Abgrund.
Oida, Franz, schau dir de Pappn an, de de Leit heut wieder ziehn! Sitzen da, vor ihrem Melange und ihrem Kipferl, aber die Augn, die picken an so an verdammten Glaspickerl fest, als wär’s der Heilige Gral persönlich. Bist narrisch? A jeder Depp starrt auf sein Handy, als ob ihm da drin wer die Wahrheit ins Ohr flüstert. Wahrheit, papperlapapp! Des is die reinste Hirnwäsche, Franz, a g’schmackiger Schaßdreck, den uns irgendwelche Silicon-Valley-Gschaftlhuaba andrehen wollen.
I sitz hier, mein Schnauzbart zwirbelnd, mein Verlängerten schlürfend, und frag mich, san de alle komplett deppert wordn? Wo is denn die Zeit blieben, wo man sich im Kaffeehaus no in die Augn g’schaut hat, wo man g’stritten hat, wo man philosophiert hat über Gott und die Welt und die scheiß Politik? Jetzt? Jetzt hockt a jeder für sich allein, in seiner eigenen kleinen digitalen Hosentaschen-Psychiatrie, und lässt sich von irgendwelchen Influencern und Algorithmen das Hirn vernebeln.
„Herr Schröder, Sie san heut aber wieder a bissl grantig“, sagt der Franz, während er mir no a Glas Wasser hinstellt. Grantig? Franz, i bin ned grantig, i bin alarmiert! Mia san umzingelt von digitalen Zombies, die nix mehr mitkriegen außer ihre verdammten Notifications. De glauben jeden Scheiß, den ihnen irgendwer auf ihrem Bildschirm vorlügt. Hauptsach, es blinkt und es macht a Geräusch.
„Na ja, Herr Schröder“, meint der Franz und wischt mit seinem Kellnerfetzen über den Tisch, „die Zeit bleibt halt ned stehen. Und die jungen Leut, die wachsen halt damit auf.“ Aufwachsen? Franz, de wachsen ned auf, de verwelken vor ihre Bildschirme! De kriegen ja gar ned mit, was um sie herum passiert. De verpassen den Duft vom frisch g’mahlenen Kaffee, de kriegen ned mit, wie die Sunn durch die Fensterscheiben scheint, de hören ned amoi die g’schmeidige Musik, die im Hintergrund läuft. De kriegen nix mit, außer ihrem verdammten Handy!
Und was machen’s auf de Handy, frag i dich? Posten Selfies mit duckface, filtern ihre Pickel weg, damit’s ja perfekt aussehen für irgendwelche fremden Trotteln im Internet. De liken und kommentieren den Dreck von irgendwelchen Möchtegerns, die ihnen erzählen, wie toll ihr Leben is, während’s in Wahrheit wahrscheinlich auch nur mit Pickel und Existenzängsten daham hocken. Und dann? Dann fühlen’s sich schlecht, weil ihr eigenes Leben ned so glitzernd und glamourös is wie des, was ihnen da vorgegaukelt wird. A Teufelskreis, Franz, a verdammter Teufelskreis!
„Aber Herr Schröder“, sagt der Franz und räuspert sich, „es gibt ja auch positive Seiten. Man kann sich informieren, mit Freunden in Kontakt bleiben…“ Informieren? Franz, de informieren sich ned, de lassen sich berieseln! De kriegen ihre „Nachrichten“ in 140 Zeichen aufbereitet, ohne jeden Kontext, ohne jede Tiefe. Und mit ihre „Freunde“ bleiben’s in Kontakt, indem’s sich gegenseitig irgendwelche sinnlosen Emojis schicken. Des is doch keine Kommunikation, des is doch a Verblödung auf Raten!
Und die sozialen Medien, Franz, de san ja nix anderes als a riesige Werbeplattform. Jede Information, jeder Post, jedes verdammte Katzenvideo is darauf ausgelegt, uns irgendwas zu verkaufen. Unsere Daten werden gesammelt, analysiert und dann gegen uns verwendet. Mia san die Ware, Franz, mia san die verdammte Ware! Und mia merken’s ned amoi, weil mia so dumm san und auf unser Handy starren.
„Jetzt übertreiben Sie aber a bissl, Herr Schröder“, meint der Franz und schüttelt den Kopf. Übertreiben? Franz, i bin no weit davon entfernt, zu übertreiben! I steh mitten drin in dem Scheißdreck, i seh’s doch mit meine eigenen Augn! Die Leit verlieren den Bezug zur Realität. De glauben mehr dem, was auf ihrem Bildschirm steht, als dem, was direkt vor ihrer Nasen passiert. De san süchtig nach Bestätigung von fremden Leuten, de sie ned amoi kennen. Des is doch krank, Franz, des is doch zum Kotzen krank!
Und die Politik, Franz, die spielt des Spiel auch mit. Die nutzen die sozialen Medien, um uns ihre Propaganda unterzujubeln, um uns gegeneinander aufzuhetzen, um uns abzulenken von den wirklichen Problemen. De wissen genau, wie man unsere Ängste und unsere Vorurteile ausnutzt. Und mia? Mia fallen drauf rein, jeden verdammten Tag aufs Neue. Mia liken und teilen den Dreck, ohne nachzudenken, ohne zu hinterfragen. Mia san die perfekten Marionetten, Franz, die perfekten digitalen Lemminge!
„Aber Herr Schröder“, sagt der Franz und sieht mich besorgt an, „was soll man denn dagegen machen?“ Machen? Franz, i weiß es auch ned! I bin ja auch nur a altergrantiger Hawara, der in seinem Kaffeehaus sitzt und sich über die depperten Leit aufregt. Aber irgendwas muss doch passieren! Mia können uns doch ned einfach so weiter verblöden lassen! Mia müssen doch wieder lernen, miteinander zu reden, uns in die Augn zu schauen, die Welt um uns herum wahrzunehmen.
Vielleicht, Franz, vielleicht sollten mia einfach alle unsere Handys zum Fenster rauswerfen. Einfach so, mit Schwung! A kollektiver digitaler Selbstmord sozusagen. Was glaubst, Franz, würden de Leit dann machen? Würden’s sich plötzlich wieder erinnern, dass es a Leben außerhalb ihres Bildschirms gibt? Würden’s sich wieder für echte Menschen interessieren? Würden’s wieder anfangen zu denken?
Der Franz seufzt und nimmt mein leeres Glas. „Herr Schröder“, sagt er, „i glaub, dann hätten mia aber a großes Problem mit de ganzen kaputten Fensterscheiben.“
„Scheiß drauf, Franz!“, sag i. „Hauptsach, die depperten Handys san weg!“
Aber i weiß eh, Franz, des wird ned passieren. De Leit san zu süchtig. De brauchen ihren täglichen Schuss Dopamin aus Likes und Kommentaren. De können ohne ihr Handy ned mehr leben. Des is die traurige Wahrheit, Franz. Mia san verloren in der digitalen Welt. Mia san die Sklaven unserer eigenen Erfindung. Und es wird immer schlimmer werden, Franz. Immer schlimmer. Bis am End gar nix mehr übrig bleibt außer ein paar depperte Zombies, die auf ihre leuchtenden Glaspickerl starren. Prost, Franz. Bring ma no an Verlängerten. Und vielleicht a doppelte Dosis Zynismus für mi. I brauch’s heut dringend. Wirklich dringend. Weil die Welt, Franz, die is grad a richtig grindiger Ort. Und die verdammten Handys, die machen alles nur noch grindiger. Amen. Und jetzt halt dei Pappn, Franz, i will in Ruhe meinen Kaffee saufen und über den Untergang der Menschheit nachdenken. Und pass auf, dass mir keiner sein verdammtes Handy unter die Nasen hält. Sonst werd i narrisch, wirklich narrisch! Und narrische Sandler san bekanntlich ned zimperlich. Also, sei g’scheit, Franz. Sei g’scheit. Sonst gibt’s a Gschicht. A schlechte Gschicht. Verstanden? Gut. Jetzt geh. I brauch jetzt mei Ruah. Und mei Zynismus. Viel Zynismus.